Alain Badiou, Slavoj Žižek. Philosophie und Aktualität – Ein Streitgespräch

Rezension: Alain Badiou, Slavoj Žižek. Philosophie und Aktualität – Ein Streitgespräch, hrsg. v. Peter Engelmann, Passagen Verlag, Wien 2005, ISBN 3-85165-673-3, 104 Seiten, 14,90€.

»Vielleicht ist die Philosophie die Abnormalität schlechthin. So würde ich Badious Theorie lesen (wir, Badiou und ich, umschmeicheln uns, hassen uns aber in Wirklichkeit. Unser üblicher Witz lautet: Ergreife ich die Macht, wandert er ins Lager [...]« (66f.)

Das »Streitgespräch« zwischen Alain Badiou und Slavoj Žižek – es fand 2004 in Wien statt – ist, trotz des von mir gewählten einleitenden Zitats, kein Streitgespräch zwischen den beiden Philosophen, sondern es sucht vielmehr Streit mit dem etablierten Einerlei dessen, was sich heute Philosophie nennt und auch mit dem, was heute als politisch korrekte Auffassung von Demokratie und Politik gilt. Unter der Leitfrage der Veranstaltung, ob denn die Philosophie sich in die aktuellen Debatten einmischen könne/solle/müsse (»Philosophie und Aktualität«) oder nicht, rechnen Badiou und Žižek gemeinsam ab. Trotz ihrer unterschiedlichen, nicht aufeinander reduzierbaren philosophischen Positionen teilen sie doch eine kritischen Intention.

Der in Paris lebende, 1937 im marokkanischen Rabat geborene Philosoph, Mathematiker und Romancier Alain Badiou stellt seinen Beitrag unter den Titel: »Das Ereignis denken«. Zu Anfang seines Beitrags gibt er eine kurze Definition dessen, was für ihn Philosophie ist: Die Aufgabe der Philosophie bestehe darin, Probleme zu schaffen.1 Der Philosoph mische sich dort ein, wo es ein neues Problem zu erfinden gilt, wo es darum geht, die bisherige Perspektive aufzugeben und einen neuen Rahmen zu schaffen. Wie sieht ein solche »philosophische Situation« aus? Badiou gibt drei Beispiele, von denen ich nur das erste anführen werde:

»Platons Dialog Gorgias, der den äußerst heftigen Zusammenprall zwischen Sokrates und Kallikles schildert. Dieser Zusammenprall schafft eine philosophische Situation, die noch dazu fast dramatische Züge trägt. Warum? Weil das Denken Sokrates‛ und das Denken Kallikles‛ keinen gemeinsamen Maßstab haben, das eine dem anderen fremd ist.« (16f.)

Sokrates geht davon aus, dass der wahrhaft Glückliche der Gerechte im philosophischen Sinne sei, und Kallikles behauptet »das Recht sei die Macht und der glückliche Mann der Tyrann«. (17) Badiou stellt fest: »Zwischen der Gerechtigkeit als Gewalt und der Gerechtigkeit als Denken besteht keine schlichte Opposition, die wir mit Argumenten angehen könnten, denen eine gemeinsame Norm zu Grund liegt.« (17) Wir können nicht begründet zwischen den beiden Positionen auswählen; vielmehr hängt umgekehrt die Begründung (und der für eine Begründung notwendige normative Horizont) bereits von unserer Wahl ab. Denken ist eine Wahl, ist eine Entscheidung, und die Aufgabe der Philosophie ist es, diese zu treffen und zu erklären. »Eine philosophische Wahl ist ein Moment, in dem eine Wahl deutlich wird; eine Wahl, in der es um das Dasein oder das Denken geht.« (18) Die philosophische Situation zeichne sich des Weiteren durch Distanznahme aus, durch das Auseinanderklaffen der Macht (des Bestehenden) und der Wahrheit; für diese »maßlose« Distanz müsse die Philosophie ein Maß erfinden. Das dritte Charakteristikum einer philosophischen Situation ist es, den Wert des diagnostizierten Bruchs, der von Badiou als Ereignis bezeichnet wird, zu bezeugen, ihn gegen den Widerstand des gesellschaftlichen Konservativismus zu verteidigen. Die Philosophie muss wählen, sich in dieser Wahl von der Macht des Bestehenden distanzieren und dieser Entscheidung treu bleiben. Kurz: »Die Philosophie ist das Denken nicht dessen, was ist, sondern dessen, was nicht ist, wie es ist: das Denken nicht der Verträge, sondern der Vertragsbrüche; die Philosophie interessiert sich nur für Beziehungen, die keine sind.« (25) Nur dort, wo es Brüche gibt, kann es Philosophie geben. Philosophen, als Philosophen und nicht als Bürger, haben deswegen beispielsweise zum demokratischen Tagesgeschäft nichts beizutragen. Nicht, weil dieses keinen Wert hätte, sondern weil es hier keinen Bruch gibt, weil die Philosophie hier keine Aufgabe hat. Ob ich nun SPD oder CDU oder irgendetwas anderes wähle, ist laut Badiou aus philosophischer Sicht irrelevant, da die eigentliche Entscheidung bereits getroffen ist. In einer Demokratie gibt es nur Opponenten, Positionen, die über den gemeinsamen demokratischen Rahmen vermittelt sind. Für Badiou bedeutet das: »Das ist keine Wahl in ihrer ganzen Weite: die Nähe ist an die Stelle der Distanz getreten. Die Wahl führt nicht zum Abstand, sondern zur Norm, sie verwirklicht die Norm.« (28) Genau das ist ja schließlich auch die Aufgabe der parlamentarischen Demokratie.

Der Irakkrieg dagegen sei eine politische Situation gewesen, da er alle drei von Badiou aufgeführten Bedingungen erfülle: Die USA und der Irak haben keinen gemeinsamen Maßstab; aus diesem Grund seien die vermeintlichen Massenvernichtungswaffen so wichtig gewesen. Diese wären ein gemeinsamer Maßstab gewesen, der eine Intervention zumindest teilweise hätte legitimieren können. Zweitens waren wir gezwungen zu wählen; es gab nur die Alternative für oder gegen den Krieg, und drittens: »die Distanz zur Macht. Die Großdemonstrationen gegen den Krieg schaffen einen wichtigen subjektiven Abstand zur US-amerikanischen Hegemonialmacht« (29). Falls es diese Inkommensurabilität gibt, dann gibt es auch eine Wahl, eine Distanz und eine Ausnahme. Sind diese Bedingungen erfüllt, ist der Schritt von der bloßen Meinungsumfrage zur philosophischen Situation vollzogen. Badiou trennt streng zwischen Philosophie und Politik: Politik ziele auf die Veränderung der Situation bestimmter Gruppen; »die Philosophie erfindet Probleme, die alle Welt betreffen« (30). Dieses philosophische Engagement beschreibt Badiou bildlich:

»Der Philosoph ist stets ein Fremder, in neue Gedanken gehüllt; er schlägt neue Probleme und neue Gedanken vor. Und er schafft sich in den Stimmen der Stille Getreue, das heißt, er vermag viele Leute für diese Probleme zu gewinnen, indem er sie von deren Universalität überzeugt.« (32)

Der Begriff der Universalität nimmt im Denken Badious – und Žižeks – eine zentrale Stelle ein. Badiou stellt acht Thesen zur Universalität auf, die er selbst als eine Zusammenfassung seiner Philosophie begreift. Es ist hier nicht der Ort, diese Thesen zu rekonstruieren, so dass ich im Folgenden den Begriff Universalismus im Verständnis Badious nur kurz charakterisieren werde. Zur Universalität gehört das Denken, welches das vorhandene Wissen durchbricht. Universalität ist – da Denken an das Subjekt gebunden ist – nicht Objektivität; ihm eignet vielmehr ein Doppelcharakter: »Das Universelle legt seine eigenen Punkte als Subjekt-Denken fest und ist zugleich virtuell das Sich-Sammeln dieser Punkte.« (34) Das Universelle wird als Singularität gedacht. Badiou versteht das Universelle nicht als Reglementierung des Besonderen oder der Differenzen, auch nicht als Segeltuch- oder Containerallgemeines, sondern als das, was sich diesen Identitätsbegriffen entzieht, sie durchbricht, nicht in ihnen aufgeht. Eine universelle Singularität gehört »nicht der Ordnung des Seienden« an, »sondern der des Auftauchens« (37). Das Universelle und die Aufgabe, das Ereignis zu denken sind aufeinander verwiesen, da das Universelle immer im Ereignis entsteht. Das Ereignis hat keinen Bezug zur bestehenden Situation; das heißt, es ist zwar die Folge einer Unentscheidbarkeit der Situation, es lässt sich aber nicht aus der Situation ableiten. Universalität entsteht dort, wo einem Ereignis die Treue gehalten wird. Ein solches Ereignis war die Französische Revolution. Sie durchbrach das Bestehende und lässt sich nicht mit der alten Begrifflichkeit erklären. Wie verrät man ein, bzw. wie wird man einem Ereignis untreu? Indem man behauptet: Eigentlich ist nichts passiert, das, was geschehen ist, lässt sich im Rahmen des Bestehenden erklären. Badiou führt Francois Furet an, der seines Erachtens versucht, die Französische Revolution aus der Situation zu erklären, Neues auf Altes zurückführt und sie damit verrät. Ein Ereignis gibt – hält man ihm die Treue – einen neuen Rahmen vor, es taucht dort auf, wo eine – im bestehenden System – unentscheidbare Situation entschieden wird. Im Ereignis »wird eine unentscheidbare disjunktive Synthese entschieden und sein Subjekt und die Folgen der Ereignis-Aussage festgelegt.« (41f.) Diese Implikationen folgen notwendig aus dem Ereignis, aber nur und genau dann, wenn man dem Ereignis die Treue hält. Wer die Französische Revolution nicht als Ereignis anerkennt, für den hat sie auch keine notwendigen Folgen. Das bedeutet natürlich nicht, dass die Französische Revolution nur für diejenigen stattgefunden hat, die an sie glauben, sondern es geht schlicht darum, festzuhalten, dass sich wirklich etwas geändert hat, dass es eine grundlegende Verschiebung gab, die über die bestehende Situation hinausweist und nicht aus dieser abgeleitet werden kann.

Das Ereignis ist in erster Linie nicht mehr als die Entscheidung einer bisher unentscheidbaren Situation. Diese Entscheidung und damit das Universelle ist für Badiou immer eindeutig; es »gehört der Ordnung des Aktes an und nicht der Ordnung des Seins oder des Sinns. Und dieses Register des Aktes ist eindeutig. Die Aussage wurde entschieden und dies ist jeder Interpretation entzogen. Es unterliegt dem Ja oder Nein, aber nicht der mehrdeutigen Vielfalt der Sinnmöglichkeiten.« (45) Eine universelle Singularität produziert eine eigene Ordnung und innerhalb dieser Ordnung können die Subjekte eine unendliche Anzahl von Folgen erfinden. Hier klingt der lacansche Begriff des Aktes, der Zerstörung der bestehenden Bedeutungszusammenhänge, an. Auf den Akt (hier: das Ereignis) folgt die Neukonstitution einer Ordnung. Im Moment des Ereignisses geschieht etwas, dass einen neuen Bedeutungshorizont eröffnet.

Der slowenischen Philosoph Slavoj Žižek stellt seinen Beitrag unter den Titel »Philosophie ist kein Dialog«. Er beginnt seinen Text mit einer Anleitung, wie man einen Philosophen erkennen kann: »Man sitzt sich im Café gegenüber und wird aufgefordert: ‚Komm, wir diskutieren das aus!‛. Der Philosoph wird sofort sagen, es tue ihm Leid, er müsse los, und wird zusehen, dass er schnellstmöglich verschwindet.« (51) Da der Philosoph aber trotzdem immer wieder aufgefordert wird, einzugreifen, sich einzuschalten »in die europäische Öffentlichkeit« stellt sich Žižek die Frage, wie man auf diese Forderung reagieren soll. Sein Vorschlag ist es, diese Forderung ähnlich zu begreifen wie die Forderungen, die ein Patient an seinen Psychoanalytiker richtet, nämlich als Symptome, die auf ein Problem hinweisen und dieses gleichzeitig verschleiern. »Wenn man uns Philosophen etwas fragt, geht es meistens um mehr als nur die Frage: Die öffentlichen Meinung sucht nach Orientierung in einer problematischen Situation.« (52) Žižek schließt an Badiou und dessen Begriff der disjunktiven Wahl an. Die disjunktive Wahl ist immer eine falsche Wahl, da die angebotenen Alternativen keine sind: Sie verändern nicht die Begriffe der Debatte. Žižek wird konkret: »‛Liberalismus‛, ‚Krieg gegen den Terror‛ und der sogenannte ‚fundamentalistische Terrorismus‛ sind alles disjunktive Synthesen; nicht die radikale Wahl.« (53) Philosophisches Eingreifen ist für Žižek, genau wie für Badiou, immer mit dem Verändern der Rahmenbedingungen, der Schaffung von Neuem, verbunden. Gerade diese radikale Haltung beider Autoren ruft immer wieder eine bestimmte Form von konservativer und postmodernistischer Kritik auf den Plan: Ein solches Denken führe zwangsläufig in den Totalitarismus. Diese Art, der eigentlichen Entscheidung aus dem Weg zu gehen, bestimmt Žižek als die postmoderne philosophische Ideologie schlechthin.

»Zu Grunde liegt dem, glaube ich, die Vorstellung, dass wir mit unserer unvollkommenen Welt leben müssen, da jede radikale Alternative früher oder später in den Gulag führe.2 Man warnt uns vor jedem radikalen Wandel. Ja der ganze Diskurs, sich der radikalen Andersheit zu öffnen ist lediglich diese Warnung vor dem radikalen Wandel.« (58)

Ein weiteres Beispiel für die Angst vor dem Wandel sieht Žižek in der »Staatsphilosophie« Jürgen Habermas‛. Die Funktion einer Staatsphilosophie unter kapitalistischen Bedingungen sei es, Žižek zu Folge, »die für den Kapitalismus unverzichtbare Entwicklung von neuen Wissenschaften, der Technik und Wirtschaft« (59) zu billigen, aber die daraus folgenden ethischen und sozialen Konsequenzen zu blockieren. Habermas Eingriff in die Bioethikdebatte3 sei ein gutes Beispiel hierfür. Der Versuch von Habermas, mit neo-kantianischen Argumenten zu einer Lösung zu gelangen, die es erlaubt, die Entwicklung weiter voran zu treiben, aber gleichzeitig die bestehende Art und Weise der Subjektkonstitution zu retten, erzeugt für Žižek die ganzen Pseudo-Probleme, um die sich dann die Debatte dreht.4 Fragen wie: »Wie weit dürfen wir in der Biogenetik gehen? Bedroht die Biogenetik unsere Freiheit und Autonomie?« (60) sind für Žižek keine philosophischen Fragen. Die eigentliche Frage laute dagegen: »Findet sich in den Ergebnissen der Biogenetik irgendetwas, das uns zwingen würde, neu zu definieren, was wir unter der menschlichen Natur, unter Menschsein verstehen?« (60). Die Habermas‛sche Argumentation werde geleitet von der Furcht, »dass eine neue Dimension des ‚Menschen‛ auftauchen könne und die alte Vorstellung der menschlichen Würde und Autonomie nicht unversehrt bewahrt werde« (60). Žižek behauptet nun, dass Neokantianer wie Jürgen Habermas in anti-aufklärerischer Manier versuchen, die Wissenschaft auf ihr Gebiet zu beschränken »und ihre Folgen für den moralisch-religiösen Bereich als ‚unzulässig‛« (61) zu denunzieren. Für Žižek wie für Badiou kann es nicht die Aufgabe der Philosophie sein, das Neue zu verbieten, sondern sie ist aufgefordert, es zu denken und damit auch der Kritik einen neuen Horizont zu eröffnen.

Žižek ist sich mit Badiou (und auch mit Jean-Francois Lyotard5) einig, dass der Philosophie ein inhumanes Moment inhäriert und sie sich gegen jede Form moralischer Instrumentalisierung sperren muss. Philosophen seien immer wieder der Versuchung ausgesetzt zu zeigen, dass sie neben dem Philosophsein auch noch Menschen sind, die nicht nur große Gedankengebäude entwerfen, sondern sich auch Gedanken über das viele Unheil in der Welt machen. Im Deutschen gibt es dafür den Neologismus »menscheln«. Žižek sieht hier eine Ähnlichkeit zu den Lebensläufen von Autoren, wie man sie in der Populärliteratur findet:

»[...] um deren Lebenslauf ein bisschen aufzuwerten, fügt man etwa hinzu: ‚Sie lebt gegenwärtig in Südfrankreich, umgeben von vielen Katzen, und widmet sich der Malerei …‛ [...] Mich drängt es daher fast, einem meiner nächsten Bücher irgendetwas Böses hinzuzufügen: ‚In seinem Privatleben quält er Hunde und tötet Spinnen‛, einfach um diese Sitte ad absurdum zu führen. Darauf aber will ich hinaus: Fragt man uns Philosophen nach unsere Meinung, will man in Wahrheit oft nur, dass wir uns selbst darstellen.« (64f.)

Natürlich hat das Inhumane in der Philosophie eine noch viel größere Reichweite: sämtliche theoretische Ansätze, die von einem Nichtfestgestelltsein des Menschen ausgehen, sind in ihrem Kern inhuman, wobei die zur Kritik stehenden Bestimmungen des Humanen meist naturalistisch konzipiert sind und von einem unveränderlichen Zug ausgehen, der ausmacht (festlegt) was ein Mensch ist. Žižek, Badiou und andere poststrukturalistische Autoren sehen dagegen gerade im Inhumanen das, was den Mensch zum Menschen macht, ihn auszeichnet.

Beide Autoren sehen die Rolle der Philosophie also ähnlich. Ihre Aufgabe sei es, eine direkte Verbindung zwischen dem singulären Denken und der Universalität herzustellen. Dieser direkten Verbindung inhäriert ein inhumanes Moment, das Ignorieren des Besonderen. Badiou hält wie Žižek nichts von der postmodernen Feier der Partikularitäten, dieses »reaktionäre Leierlied der kulturellen Besonderheiten gilt es zu bekämpfen« (73). Die Konzentration auf das Besondere und der Versuch, alles in gleicher Weise anzuerkennen, führe zur Gleichgültigkeit. Der Andere, dem man gerecht werden will, wird auf den toten Anderen reduziert, auf den Anderen, der mich nicht belästigt, der im beliebigen Spiel der Differenzen gerade durch die Beachtung der Besonderheit immer auf dasselbe reduziert wird.6 Žižek und Badiou verstehen dagegen Philosophie nicht als Vermittlungsinstanz oder Moderation, sondern als Versuch, das Neue geistig zu bewältigen, anstatt es hilflos mittels überholter Begriffe zu umkreisen oder es einfach zu ignorieren bzw. auf Altbekanntes zurückzuführen. Ein solches Vorgehen ist natürlich über weite Strecken ungedeckt und wirft unvermeidlich normative Probleme auf. Die Frage: ‚Wird es nach einem Ereignis, nach der Revolution, nach dem Akt besser oder schlechter sein, wird sich die Menschheit verändern oder nicht?‛ lässt sich zwar stellen, aber nicht beantworten. Da wir alle gerne schwimmen lernen wollen, ohne ins Wasser zu gehen, verunsichern Theorien, wie sie von Badiou und Žižek vertreten werden, doch sprechen sie das offen aus, was andere einfach unreflektiert voraussetzen bzw. eskamotieren.

Beiden Autoren gelingt es, ihre Position plastisch werden zu lassen. Ein Streitgespräch, an dem teilzunehmen lohnend ist, welches vom Leser rücksichtslos eine gehörige Portion Offenheit und die Bereitschaft, die eigene Perspektive zu ändern, verlangt.

Reinhard Heil (Darmstadt)

Erstmals 2005 veröffentlicht auf der Sic et Non. Onlinezeitschrift für Philosophie und Kultur.

1»Ja, der Philosoph mischt sich ein, wenn er im Zeitgeschehen Signale für die Notwendigkeit eines neuen Problems und einer neuen Erfindung entdeckt.« (16)

2Vgl.: Slavoj Žižek, Did Somebody Say Totalitarianism? Five Essays in the (Mis)Use of a Notion, London/New York 2001.

3Vgl. Jürgen Habermas, Die Zukunft der menschlichen Natur. Auf dem Weg zu einer liberalen Eugenik?, Frankfurt a.M., 4. erw. Aufl. 2002.

4Žižeks Kritik der sogenannnten »Bindestrich-Ethiken« findet sich in: Slavoj Žižek, Körperlose Organe. Bausteine für eine Begegnung zwischen Deleuze und Lacan, Frankfurt/M. 2005, 169-184.

5Vgl. Jean-Francois Lyotard, Das Inhumane. Plaudereien über die Zeit, Wien 1989.

6Vgl. hierzu ausführlich: Slavoj Žižek, Die Tücke des Subjekts, Frankfurt/M. 2001, 298-305.


No Comments so far.

Leave a Reply