Radikale Demokratie

Reinhard Heil / Andreas Hetzel [Text als PDF][1]

Die Demokratie befindet sich zu Beginn des 21. Jahrhunderts in einer realen und legi­­ti­ma­torischen Krise. Zwei komplementäre Tendenzen bestimmen ihren gegen­wärtigen Zustand: die Globali­sierung und die Entkernung des Staates. Relevante politische Entscheidungen werden heute, wie das Beispiel der EU lehrt, immer weniger von demokratisch verfassten Institutionen getroffen, als vielmehr von überstaatlichen Bürokra­tien, Verhandlungsgremi­en, Experten­runden und Poli­tik­netzwerken; gleich­zeitig tritt der Staat auch intern Ent­schei­dungskompe­ten­zen an andere gesellschaft­liche Teilsysteme wie Wirtschaft und Recht ab. Er reduziert seine Aufgabe darauf, die Gesellschaft in einen möglichst attraktiven Standortfaktor für die Ansiedlung von Unternehmen zu verwandeln. Gesellschaft wird zu einer Ressource, deren ökonomische Ausbeutung vom Staat nicht verhindert, sondern befördert wird. Diejenigen Teile der Gesellschaft, die sich nicht ausbeuten lassen, werden aufgegeben, abgespalten, unsichtbar ge­macht. In Begriffen gesellschaftlicher Ungleichheit lässt sich diese neue Si­tu­a­tion insofern nicht mehr beschreiben, als die Partizipation weiter Teile der Bevöl­kerung an der Ge­sellschaft selbst auf dem Spiel steht. Politik und Demokratie werden zu hyperre­alen Phänomenen (vgl. Baudrillard 1992), zu mas­senmedialen Inszenierungen (vgl. Meyer 1992), die über ein reales Ende politischer Praxis hinwegzutäuschen suchen.

Den schwindenden Ge­stal­tungs- und Partizipations­möglichkeiten der Bürger ent­spricht eine Demo­kratie­­­verdros­sen­heit sowie ein allgemeiner Vertrauens­verlust gegenüber der Po­litik. Auf internationaler Ebene wird diese Demo­kratie­ver­drossenheit noch durch die fraglichen Versuche eines gewaltsamen „Demo­kratie­­exports“, etwa nach Afghanistan und in den Irak, erhöht. Unter „Demo­kra­tie“ können die Menschen im Nahen und Mittleren Osten heute kaum mehr etwas anderes verstehen als den ide­ologischen Deckmantel einer imperialisti­schen Politik. Demokratische Ideen entfalten hier regelrecht eine negative Bindungs­kraft. Sie fungieren als Projektionsfläche, die es erlaubt, verschiedene Formen eines ethnisch, religiös oder ökonomisch motivierten Widerstands gegen die He­ge­monie des Westens miteinander zu verketten. Demokratie kommt hier nicht von unten, aus dem Volk, sondern von außen. Mit Waffengewalt eingesetzt und am Leben erhalten, wird sie zu einem gespenstigen Nachbild ihrer selbst. In den sozialistischen Ländern Osteuropas wie in den Teilrepubliken der Sowjetunion verband sich um 1989 mit dem Versprechen einer Demokratisierung die Hoffnung auf ein Ende der Willkürherrschaft von Parteifunktionären und Über­wachungs­apparaten. Demokratie stand hier für die Perspektive einer autonomen Zivilgesellschaft: für die Unabhängigkeit von Recht, Bildung, Kultur und Medien. Doch diese Hoffnung wurde enttäuscht. An die Stelle der alten Eliten rückten neue; die hart erkämpfte Freiheit entpuppte sich bald als Freiheit eines entfesselten Marktes, der die Gesellschaft stärker hierarchisierte als die alten Bürokratien.

Unsere Epoche wird vor dem Hintergrund dieser hier nur angedeuteten Tendenzen häufig als postpolitisch gekennzeichnet: Das auffälligste Merkmal gegenwärtiger Politik, die sich auf die Verwaltung des Status quo beschränkt, ist, wie Zygmunt Bauman bemerkt, „ihre Bedeutungslosigkeit“ (Bauman 2000: 11). Gegen eine Verkürzung von Politik auf Verwaltung beziehen TheoretikerInnen und AktivstInnen Stellung, die sich selbst als radikaldemokratisch definieren. Sie fordern eine Rückkehr des Politischen (vgl. Flügel/Heil/Hetzel 2004; Heil/Hetzel 2006), die sich mit einer Radikalisierung von Demokratisierungsprozessen verbindet. Theorien radi­kaler Demokratie erheben das vermeintlich Selbstverständlichste, die Demo­kratisierung von politischen und ökonomischen Entscheidungs­strukturen, zum Programm. Sie erkennen, dass die einfache, aber ernst gemeinte Forderung nach Demokratisierung vor dem Hintergrund der skizzierten globalen Entwicklung nicht anders als revolutionär erscheinen kann. Gegen die Agonie der vermeintlichen Sachzwänge und objektiven Wider­stände – man denke nur an das von der Thatcher-Regierung um Credo erhobene T.I.N.A.-Prinzip („there is no alternative“) – rehabilitieren die Vertreterinnen und Vertreter radikal­demokratischer Positionen den Mut zum Ereignis als politische Tugend. Sie stehen in der gegenwärtigen Theorielandschaft dafür ein, dass etwas Unmögliches durchaus möglich werden kann und greifen dabei Ansätze auf, die ihren Ort in der Praxis selbst haben: in den Bewegungen der Globalisierungskritiker, der Neuen Sozia­len Bewegungen (etwa der Frauen-, Schwulen/Lesben-, Arbeitslosen- und Krüp­pel­­bewe­gung), der sans-papiers usw. Das liberale Konzept der Demokratie wird, darin liegt der Einsatzpunkt des radikaldemokratischen Diskurses, in den Dienst einer revolutionären, dezi­diert antikapitalistischen Politik gestellt.

Im radikaldemokratischen Diskurs, dem etwa die Schriften von Claude Lefort, Ernesto Laclau, Chantal Mouffe, Etienne Balibar, Jacques Rancière und Jacques Derrida zugerechnet werden können, wird Demokratisierung als unend­liche Aufgabe begriffen. Im Mittelpunkt der Ausführungen dieser Autorinnen und Autoren steht mit unterschiedlichen Akzentu­ierungen und Konsequenzen der Gedanke, dass Demokratien agonal verfasst sind. Demokratische Ausein­ander­setzungen über die an­gemessene Einrichtung des Gemein­wesens lassen sich aus dieser Perspektive nicht in transzendentalen Rechts- oder Vernunftprinzipien verankern. Daraus ergibt sich die Forderung, dass die Mitte der Macht „leer“ bleiben muss (Lefort 1990a: 49), dass Demokratie „im Kommen bleibt“ (Derrida 2003: 123), dass sie sich also niemals eine endgültige, durch einen Rekurs auf universelle Prinzipien ver­bindlich abgesicherte Gestalt geben kann und sollte. Es ist aus dieser Perspektive gerade eine Leerstelle im Zentrum der Gesell­schaft, die diese zusammenhält. Die demokratische Auseinandersetzung – auch über die Möglichkeits­be­dingun­gen der Demokratie – kann und sollte nie zu einem Ende kommen. Als wesentli­ches Anliegen des Diskurses der radikalen Demokratie könnte man eine Verteidigung „des Po­li­tischen“, verstanden als Kraft der kollek­tiven Selbstinstituierung einer Gesellschaft, gegenüber „der Politik“, verstanden als Verwaltung des Gemeinwesens innerhalb etablierter Parameter, begreifen, die sich praktisch etwa in einer Forderung nach der Demokratisierung von Bürokratien, Wirtschaft, Bildung und Wissenschaft ausdrückt.[2] Mit Claude Lefort, Jacques Derrida, Ernesto Laclau, Chantal Mouffe, Etienne Balibar und Jacques Rancière sollen hier kurz sechs zentrale Positionen des radikal­demokratischen Diskurses vorgestellt werden.

Claude Lefort

Claude Lefort kann als wichtigster Wegbereiter des radikaldemokratischen Diskurses gelten. Gewährsleute seiner politischen Philosophie bilden Hannah Arendt, Cornelius Castoriadis und Maurice Merleau-Ponty. Lefort wendet sich in seinen Arbeiten zur Demokratie gegen den marxistischen Verdacht, demo­kra­tische Revolutionen seien das „Werk gesellschaft­licher Klassen“ (Lefort 1990a: 35). Demokratische Revolutionen gehen demgegenüber „in jeder Hinsicht über den Entwurf eines gesellschaftlichen Akteurs hinaus“ (Lefort 1990a: 34). Sie lassen sich weder in einem teleologisch-intentionalistischen Sinne „machen“, noch von einem wie immer gearteten „Außen“ her beherrschen. Demo­kratische Re­vo­­lutionen, die sich in bestimmten Institutionen wie der Wahl dauerhaft in die Gesell­schaft einschreiben, stehen vielmehr für die Selbstinstituierung einer Ge­sell­schaft: für ein „gesellschaftlich Imaginäres“ (vgl. Castoriadis 1990) im Sinne eines geteilten Horizontes von Interessen, Zielen und Vorstellungen. Vermittelt über den demokra­tischen Prozess entwirft, erfindet und vollzieht sich die Gesellschaft immer wieder neu.

Jürgen Habermas, des rationalistisches und szientivistisches Modell einer deliberativen Demokratie die politischen Theorien im deutschen Sprachraum dominiert, wirft Positionen, die in der Tradition von Arendt und Castoriadis stehen, vor, dass sie „die Bürgerschaft wie einen kollektiven Autor betrachten, der das Ganze reflektiert und für es handelt“ (Habermas 1999: 288). Theorien der Selbstinstituierung des Gesellschaftlichen würden insofern an einem „bewusstseinsphiloso­phischen“ Paradigma der Philosophie fest­halten. Ausgehend von Lefort lässt sich dieser Vorwurf als gänzlich unbegründet zu­rück­­weisen. Für Lefort ist es kein kollektives Subjekt (etwa im Sinne des Marx­schen Proletariats), das die Gesellschaft instituiert, sondern der demo­kratische Agon konfligierender partikularer Perspektiven. Die Rolle des Sub­jektes der Gesellschaft muss demgegenüber gerade unbesetzt bleiben. Demo­kratie wird für Lefort zum Synonym dafür, dass die „Mitte der Macht“, die bei Habermas von vermeintlich universellen Vernunft- und Rechtsprinzipien besetzt wird, leer bleibt. Diese Leere im Zentrum der Gesellschaft markiert die einzige, negative Universalie im radi­kal­demokratischen Denken. Die „leere Mitte“ dient Lefort als Inbegriff dessen, was an einer Gesellschaft im Werden, was unabgeschlossen, unab­ge­golten, unvollständig und unbestimmt bleibt. Die leere Mitte ist ein anderer Name für die Perspektivität und Partikularität jeder Position im politischen Prozess, oder mit anderen Worten: für die Unmöglichkeit jeder im substantia­listischen Sinne verstandenen Universalität, in deren Namen die politische Auseinandersetzung mit je konkreten Gegnern umgangen werden könnte.

Demokratie wird von Lefort gerade nicht in universalistischen Vernunft- oder Rechts­prinzipien begründet. Sie wendet sich vielmehr auf sich selbst an. Was Demokratie ist oder sein könnte, kann selbst nur demokratisch ausgehandelt werden. Eine bis zur Gefahr des Scheiterns gehende Verletzlichkeit ist insofern konstitutiv mit der Idee der Demokratie verbunden.[3] Die westlichen Gesellschaften nach der französischen und amerikanischen Revolution verfügen „nicht mehr über eine Repräsentation ihrer Ursprün­ge, Ziele und Grenzen“ (Lefort 1990a: 50) und werden deshalb von einer konstitutiven Unbestimm­barkeit heim­gesucht, die sie für die Gefahr des Totalitarismus anfällig macht; einer Gefahr, der allerdings nicht kategorial vorgebeugt werden kann, ohne sich dessen zu bedienen, was man abwehren möchte.

Die demokratische Gesellschaft exponiert sich einer „Erfahrung des Ande­ren“ (Lefort 1990a: 51), die alle handlungstheoretischen Vorstellungen eines „Machens“ von Gesell­schaft überschreitet. Demokratisierungsprozesse ver­wie­sen in letzter Konsequenz, auf eine religiöse Dimension (vgl. Lefort 1999). Religion steht dabei nicht für eine Sphäre letzter Gründe und dogmatischer Gewissheiten, von denen sich die Politik zu emanzipieren habe (so der Tenor der Haber­mas­­­schen Rationalisierungsgeschichte), sondern für eine Grundlosigkeit, ein Nicht­sein, mit dem jede menschliche Praxis kommuniziert.[4] Demokratie lässt sich vor diesem Hintergrund nie vollständig bestimmen und begrifflich konzeptualisieren.

Jacques Derrida

Die Aufgabe der Politik besteht auch für Jacques Derrida wesentlich darin, die Möglichkeit einer letzten Schließung der Gesellschaft abzuweisen. Als positiver Begriff für diese Abwendung einer Schließung fungiert in Derridas Denken der Begriff des Ereignisses. Derrida analysiert in seinen späten Schriften die Weltordnung nach dem 11. September 2001; er fragt insbesondere danach, was heute mit der Kategorie nationalstaatlicher Souveränität geschieht. Seine Überlegungen münden im Programm einer „kommenden Demokratie“, die sich an die Stelle jener Berufung auf das Recht des Stärkeren setzen könnte, welches die heutige internationale Politik bis hin in die Entscheidungsstruktur der UNO dominiert. Erst diese „kommende Demokratie“ wäre für Derrida ein Ereignis im emphatischen Sinne.

Derrida macht auf einen bewussten Abbau demokratischer Freiheiten und bürgerlicher Rechte aufmerksam, dessen treibende Kräfte sich auf den ver­meintlichen Ausnahme­zustand berufen, der durch die Anschläge des 11. September eingetreten sei.[5] Die amerikanische Regierung beruft sich auf ihre unbedingte Souveränität, um sich gegen sogenannte Schurkenstaaten zur Wehr zur setzen, die den Terrorismus angeblich unterstützen. Derrida zeigt, wie sich die Ideen des Schurkenstaats und der Souveränität wechselseitig voraussetzen und verstärken.

Er unterzieht darüber hinaus auch die Entscheidungsstrukturen innerhalb der Vereinten Nationen einer subtilen Kritik und weist insbesondere darauf hin, dass die einzigen ständigen Mitglieder des Sicherheitsrats ursprünglich identisch waren mit den Sieger­mächten des Zweiten Weltkriegs (heute sind sie identisch mit den größten Atommächten). Im Zentrum der weltpolitischen Entscheidungs­struk­turen herrscht ein Recht des Stärkeren. Derrida fordert demgegenüber eine transnationale Demokratie, eine „weltweite, internationale, zwischenstaatliche und vor allem überstaat­liche Demokrati­sierung“ (Derrida 2003: 115), eine Demo­kra­ti­sierung überstaatlicher Entscheidungs­netzwerke, zuallererst derjenigen der UN. Wenn Derrida von einer „kommenden Demo­kratie“ spricht, dann meint er damit eine globale Demokratie ohne Ausnahme, eine Demokratie, in der nicht länger zwischen Brüdern und Gleichen einerseits und Schurken, schlechten Staats­bürgern und Nicht-Staatsbürgern andererseits unterschieden werden könnte. Die Forderung nach der kommenden Demokratie erhebt genau dort Einspruch, „wo die Diskurse über Menschenrechte und Demokratie zum obs­zö­nen Alibi verkom­men, wenn sie sich mit dem entsetzlichen Elend von Milliarden Sterblicher abfinden, die der Unterernährung, Krankheit und Erniedrigung preisgegeben sind, die nicht nur in erheblichem Maße Wasser und Brot, sondern auch Gleichheit und Freiheit entbehren“ (Derrida 2003: 123). Die Demokratie denken, heißt insofern primär „‚den erstbesten‘ denken: irgendwen, einen beliebigen“ (Derrida 2003: 123).

Diese „kommende Demokratie“ hätte mit dem Prinzip der Souveränität zu brechen, sie wäre geradezu „niemandes Souveränität“. Sie ließe sich nicht in Regeln und Statuten kodifizieren, sondern nur über eine ihr spezifische Form der Au­to­immunität ansprechen, über ihr „Recht auf Selbstkritik“ (Derrida 2003: 104), das zu einer „inneren Historizität“ (ebd.) der Demokratie führe. „Innere Historizität“ bedeutet hier „die Abwesenheit einer eigentümlichen Form, eines eidos [...] einer definitiven Gestalt, eines Wesens“ (Derrida 2003: 106). Die kommende Demokratie hält sich wesentlich im Kommen, sie begnügt sich nie mit dem bereits Erreichten. Gerade aus der Einsicht die Mangelhaftigkeit des bereits erreichten Standes der Demokratisierung bezieht sie ihre Kraft. Letztlich hat die „kommende Demokratie“ den Status einer Forderung oder unendlichen Aufgabe: Derrida spricht von einem „‚Muss‘“ davon, „dass man mit aller Kraft“ einer Sache die Treue bewahren muss: „dem fortbestehenden Begehren nach Demokratie, dem Auflodern einer Präferenz, welche die Risiken, die Gefahren, eine gefahrvolle Freiheit der einschläfernden Ruhe einer Unterjochung vorzieht“ (Derrida 2003: 106). Zur kommenden Demokratie gehört hier, wie im Denken Leforts, das unauflösliche Dilemma, dass sie ihr Anderes – die antidemokratische Bedrohung, die uns etwa in der Gestalt des Terrors entgegentritt – zu­gleich muss abwehren und aushalten können. Die „kommende Demokratie“ definiert sich für Derrida da­durch, dass sie ihre eigene Widersprüchlichkeit und Un­bestimmbarkeit po­sitiviert, dass ihr „Be­griff frei bleibt“ (Derrida 2003: 59) von transzendentalen Begründungen.

Ernesto Laclau

Auch die politische Theorie Ernesto Laclaus kann als radikaldemokratisch im strengen Sinne bezeichnet werden, da sie, im Gegensatz etwa zur Habermasschen Diskurstheorie, keine transzendentalen Rahmenbedingungen der Demokratie zu­lässt, die nicht selbst immer wieder in der demokratischen Auseinandersetzung in Frage gestellt werden könnten. Demokratie legitimiert sich für Laclau gerade über ihre Grundlosigkeit (vgl. Hetzel 2004), nicht dagegen durch einen Rekurs auf universale Werte oder kategoriale Rechtsprinzipien, die den demokratischen agon von außen begrenzen. Normativ gehaltvoll wird Demokratie dann einzig durch die Positivierung ihrer leeren Mitte, durch die Abweisung aller Versuche, diese leere Mitte mit konkreten Inhalten zu besetzen.

Laclau weist in diesem Zusammenhang die traditionelle politiktheoretische Alternative von Universa­lismus und Partikularismus zurück und ersetzt die abstrakte Rede von der Universalität (etwa der Menschenrechte) durch konkrete Universa­lisierungseffekte. Er zeigt, wie jeder partikulare politische Einsatz notwendig mit universali­stischen Ansprüchen einhergeht und wie sich umgekehrt jeder Universalitäts­an­spruch in einem partikularen Kontext artikulieren muss. Universalistische An­sprü­che erscheinen immer nur als an einer partikularen Perspektive gebroche­ne. Laclau deutet Partikularität ausgehend von Hegel als die jede Universalität allererst begründende Negation von Universalität, als die Be­dingung ihrer Mög­lich­keit und Unmöglichkeit zugleich. In diesem Sinne wird Partikularität zur Einsatz­stelle demokra­tischer Kämpfe jenseits postmoderner Minderheiten- oder Iden­titätspolitiken. Für Laclau ist „die Annahme eines reinen Partikularismus, unabhängig von jedem Inhalt und vom Appell an eine ihn transzendierende Uni­versalität, eine selbstzerstörerische Unterneh­mung“ (Laclau 2002: 53). Wenn ich einen Anspruch auf das Eigenrecht meiner partikularen Perspektive anmelde, dann muss ich mich zur Artikulation dieses Anspruchs bereits eines Mediums bedienen, das die Grenzen meiner partikularen Perspektive überschreitet. Es kann in diesem Sinne keine rein partikulare Forderung geben. Das Recht auf Selbstbestim­mung einer Gruppe appelliert an ein universales Prinzip: eben das der Selbstbestimmung. Jeder Partikularismus setzt den universalen Grund, den er verneint, voraus. Es wäre insofern, so wendet Laclau gegen zu einfaches Verständnis von Identitätspolitik ein,  wenig sinnvoll, sich in politischen Ausein­ander­setzungen ausschließlich auf die je eigene soziale oder kulturelle Identität zu berufen.[6] Das pure Beharren auf kulturellen Differenzen führt zu „Selbst-Apartheid“ und „reinem Segrega­tio­nismus“ (Laclau 2002: 60), zu einer ohnmächtigen Selbstethnisierung, wie wir sie etwa bei bestimmten Migranten beobachten können, die in der Diaspora, die ihnen die Assimilierung verweigert, zu einem funda­men­talistischen Verständnis ihrer eigenen Kultur oder Religion neigen. Zu nennen wären auch Teile der militanten Homosexuellen-, Frauen- oder Be­hin­der­ten­bewegung, die für eine Abschottung gegenüber den Kulturen der Heteros, der patri­ar­cha­lisch dominierten Gesellschaft oder der Gesunden plädieren. Damit bestätigen sie aber gerade den kulturellen Rahmen, der sie diskriminiert. Jedes „Recht auf Differenz muss in einer globalen Gemeinschaft behauptet werden“ (Laclau 2002: 60) und bleibt solange ohnmächtig, wie es sich nicht der Mechanismen dieser Gemeinschaft bedient.

Eine unmittelbar „universalistische“ Politik schwebt demgegenüber immer in der Gefahr, von den konkreten Ansprüchen konkreter Personen in konkreten Situationen zu abstrahieren und gewaltsame Formen anzunehmen. Sie setzt sich darüber hinaus dem Einwand aus, dass sich hinter der Maske universaler Werte (zum Beispiel der Menschen­rechte) oft nur partikulare Interessen verbergen. So liefern die Menschenrechte heute den Vorwand für militärische Interventionen, die in Wirklichkeit der Sicherung von Rohstoff­ressourcen und der Erschließung neuer Märkte dienen. Wenn eine politische Forderung umgekehrt nur im Namen einer Partikularität artikuliert werden könnte, spräche nichts dagegen, auch ras­si­sti­sche oder sexistische Partikularitäten anzuerkennen. Laclau wendet sich in­so­fern gegen die fadenscheinige Toleranz des Multikulturalismus: gegen ein bloßes Beharren auf der Differenz, das den Rahmen, der diese Differenz erlaubt und zugleich entwertet, abgedunkelt lässt: die multikulturelle, tolerante, univer­sa­listische Gesellschaft des Westens. Nicht die Differenz steht insofern im Zentrum radi­kaldemokratischen Denkens, sondern der Antagonismus, der demo­kratische Kampf um Hegemonie, in dem sich Universalismus und Partiku­la­rismus unauf­lös­lich verschränken. Den Anderen erkenne ich erst dann wirklich an, wenn ich die Auseinandersetzung mit ihm aufnehme, nicht dagegen, wenn ich ihn bloß toleriere und damit vergleichgültige.

Für Laclau bleibt das Universelle die Bühne einer unbeendbaren Aus­ein­ander­­setzung und besitzt an sich selbst keinen positiven Inhalt.[7] Äquivalenz im Sinne radikaler Demokratie bedeutet vor diesem Hintergrund keine substantielle Gleichheit, sondern etwas Gemeinsames in einem Raum von Differenzen, ein gemeinsames Ziel oder ein gemeinsamer Gegner. Die Aufgabe einer eman­zipativen Politik heute bestünde zunächst darin, die verschiedenen Stimmen des Protestes zu verbinden, ohne sie ihres Eigensinns zu berauben. Das Uni­ver­selle wäre in gewissem Sinne genau diese Verbindung.[8]

Laclau stellt in seinen Beiträgen immer wieder heraus, dass alle politischen Beziehungen nur innerhalb eines hegemonialen Feldes auftreten. Er nimmt seinen Ausgang von einem agonistischen Modell des Politischen und grenzt sich damit von kontraktualistischen und konsensualistischen Modellen ab, welche Indi­viduen als „kleinste Teilchen“ des politischen Prozesses voraussetzen. Die kleinste politische Einheit wäre für Laclau nicht das Individuum, sondern eine an­ta­gonistische Beziehung, welche freilich nicht mit dem Freund-Feind-Gegen­satz von Carl Schmitt gleichgesetzt werden darf. Der gegenüber Laclau (aber auch gegen Lefort, Rancière, Mouffe und Balibar) hierzulande mit mono­to­ner Re­gel­­mäßigkeit wiederkehrende Vorwurf des „Links-Schmittianismus“ zielt insofern ins Leere, als Carl Schmitts Freund-Feind-Gegensatz in der Gefahr schwebt, substantialistisch interpretiert werden zu können, das Politische mithin nicht, wie Schmitt intendierte zu verkörpern, sondern ihm vorauszuliegen, während das Politische für Laclau in sich antagonistisch verfasst ist; der politische Antagonismus bringt für Laclau die am Konflikt beteiligten Instanzen allererst hervor, er subjektiviert sie in ihrer Gegnerschaft. Laclaus Theorie des Antagonismus bezieht sich insofern auch nicht auf Schmitt, sondern knüpft eher an Hegels Kampf des Anerkennens und Nietzsches Agonismus an, Modelle von Gegnerschaft, in denen sich Gegner auf gleicher Augenhöhe begegnen und wechselseitig achten.

Der „herrschaftsfreie Konsens“ im Sinne von Habermas kann aus der Per­spek­tive Laclaus nicht als Ziel radikaldemokratischer Politik gelten. Radikale Demokratie hielte uns vielmehr dazu an, den Dissens und den Antagonismus aus­zuhalten, ohne uns einfach in ihm einzurichten. Wir haben zu akzeptieren, dass Demokratie im Kommen bleibt, ohne daraus die resignative Schluss­folgerung zu ziehen, dass sich ein Einsatz für ein Mehr an Demokratie nicht lohne. Demo­kratie lässt sich nicht positiv, über die Akzeptanz bestimmter Werte, charakteri­sie­ren, sondern nur negativ, als Abwendung von irreversiblen Schlie­ßungen des gesellschaftlichen Feldes.[9] Wenn es einen End­punkt des demo­kra­tischen Prozesses, eine mit sich versöhnte Gesellschaft gäbe, in der alle dasselbe Ziel verfolgten, dann hätte sich diese Gesellschaft der Möglichkeit jeder Kritik beraubt. Gerade der verwirklichte Konsens wäre für die Demokratie selbstzerstörerisch.

Chantal Mouffe

Chantal Mouffe ist neben Ernesto Laclau die wohl bekannteste Vertreterin des radikaldemokratischen Diskurses. Zusammen mit Laclau veröffentlichte sie 1985 den Band Hegemony and Socialist Strategy: Towards a Radical Democratic Politics (Laclau/Mouffe 1985).[10] In diesem Buch werden die Grundideen einer radikalen Demokratie entfaltet. Mouffe kritisiert wie Laclau den Liberalismus, der versucht, das Politische ebenso zu neutralisieren wie es die kommunitaristische Vorstellung, man könne sich in einer pluralistischen Gesellschaft noch auf substantielle Wertvorstellungen beziehen tut. Mouffe versteht Demokratie als agonal verfasst: Auf der Agora stehen sich nicht – wie bei Carl Schmitt – Feinde, sondern Gegner gegenüber, Gegner, die miteinander in Konflikt stehen und jeweils versuchen, die Hegemonie im demokratischen Raum für sich zu gewinnen.[11] Das Politische wird als „eine Praxis des Erzeugens, der Reproduktion und Transformation sozialer Verhältnisse“ verstanden (Laclau/Mouffe 1991: 212). Genau diese Praxis begreift Mouffe als eine in unserer neoliberalen Gesellschaft zunehmend gefährdete.

Für Mouffe führt der „postpolitische Zeitgeist”, der auf Konsens abhebt, nicht zu mehr, sondern vielmehr zu weniger Demokratie. „Begriffe wie ‚parteilose Demokratie‛, ‚good governance‛, ‚globale Zivilgesellschaft‛, ‚kosmopolitische Souveränität‛, ‚absolute Demokratie‛ [...] sind ausnahmslos Bestandteile einer antipolitischen Vision, die sich weigert, die für das ‚Politische‛ konstitutive antagonistische Dimension anzuerkennen.” (Mouffe 2007: 8) Das postpolitische Verlangen nach einer Welt jenseits von links und rechts, jenseits von Hegemonie., verleugne, so Mouffe, die antagonistische Struktur der Gesellschaft und führe der eigenen Intention entgegen zu einer Verschärfung der Antagonismen. Die Rede von „Dialog” und „Deliberation” ist inhaltsleer, da es keine genuinen Wahlalternativen gibt, keine wirklich unterschiedlichen Positionen artikuliert werden. Mouffe tritt dem gegenüber für die „Schaffung einer lebendigen ‚antagonistischen‛ Sphäre des öffentlichen Wettstreits” ein, „in der verschiedene hegemoniale politische Projekte miteinander konfrontiert werden könnten” (Mouffe 2007: 10).

Ein Gewährsmann für dieses Projekt, auch und gerade für die Kritik der liberalen Demokratie, ist Carl Schmitt. Mouffe weiß wohl, dass ein wie auch immer gearteter positiver Bezug auf das Denken Carl Schmitts polarisieren muss. Die Libe­ralis­musanalyse des konservativen Schmitt, eines Apologeten des Nationalsozialismus, deckt für Mouffe dennoch die Schwächen des liberalen Denkens auf, wie es kaum einem anderen in gleicher Schärfe gelungen ist. Für Mouffe ist die „moralisch begründete Weigerung vieler demokratischer Theoretiker, sich mit Schmitts Denken auseinander zu setzen, [...] typisch für die moralistische Tendenz, die für unseren postpolitischen Zeitgeist charakteristisch ist” (Mouffe 2007: 10). Immer mehr politische Themen würden anstatt im Register des Politischen im Register der Moral abgehandelt: Es habe ein Wechsel von der politischen Unterscheidung rechts/links hin zur moralischen Unterscheidung richtig/falsch stattgefunden.

Was genau bedeutet es, das Politische (die Art und Weise, wie die Gesellschaft eingerichtet ist, in Absetzung zur Politik: den Praktiken der Politik in actu) als antagonistisch zu denken? Der größte Teil der liberalistischen Theorien ist Mouffe zu Folge rationalistisch und individualistisch verfasst und erkennt kollektiven Identitäten nicht an. Kriterium für das Politische ist bei Schmitt bekanntlich die Unterscheidung Freund/Feind, die Trennung zwischen „Wir” und „Sie”, also die Bildung von Gruppenidentitäten. Der vom Liberalismus geforderte Rationalismus verdeckt dagegen nun gerade den Ausschluss; die Entscheidung, die jedem vermeintlichen Konsens zu Grunde liegt. Der Rationalismus ist blind für das Politische, da er „die Irreduziblität des Antagonismus negieren” muss, „der das unumgängliche Moment der Entscheidung zutage bringt” (Mouffe 2007: 19). Diese Blindheit ist konstitutiv für das liberale Denken: die zu Grunde liegende Ausschlussgeste wird invisibilisiert. Aufgabe der Demokratie ist demgegenüber nicht, die Wir/Sie-Unterscheidung zu überwinden (bzw. sie zu verdecken), sondern sie auf eine pluralistische Art und Weise zu etablieren, sie öffentlich zu machen. Hier trennen sich die Wege von Schmitt und Mouffe, da dieser den Pluralismus aus seinem Demokratiemodell ausgeschlossen hat. Mouffe überführt den Antagonismus (Freund/Feind) in einen Agonismus (Gegner), der sich aber immer der Gefahr ausgesetzt sieht, wieder in einen Antagonismus umzuschlagen und darum auch weiß. Die Gesellschaft wird von hegemonialen, durch Identifikation erzeugten „Wir/Sie” Trennungen konstituiert, wobei der Aufbau der Trennung Wir/Sie das Wir und das Sie allererst erzeugt: Die so entstandeneDichotomie ist also nicht naturalistisch zu verstehen; und da sie ein Konstrukt ist, besteht die Möglichkeit, etablierte hegemoniale Strukturen aufzubrechen und durch eine abweichende, (dabei aber nicht minder hegemoniale) Struktur zu ersetzen.

Demokratie baut laut Mouffe auf Polarisierung und auf kollektive Identifikation. Mit kollektiver Identifikation meint Mouffe beispielsweise eine Aussage der Form: „Ich bin ein Linker“. Gibt man die Begriffe rechts/links einfach auf, so folgt daraus eine Essentialisierung des Konflikts, bzw. ein Aufeinanderprallen nicht verhandelbarer Werte (vgl. 42). „Der genaue Inhalt von ‚links‛ und ‚rechts‛ wird schwanken, doch sollte die Trennlinie bleiben: Verschwindet sie, würden gesellschaftliche Spannungen verleugnet – ein Hinweis, daß ein Ensemble von Stimmen zum Schweigen gebracht worden wäre.” (Mouffe 2007: 157)

Mouffes Kritik des postpolitischen Zeitgeistes lässt sich anhand ihrer Auseinandersetzung mit den Denkern des sogenannten Dritten Weges verdeutlichen. Ulrich Beck (Beck 1993; 1996) diagnostiziert einen Rückgang des Vertrauens in traditionelle politische Institutionen; Parteien und Gewerkschaften sind nicht mehr in der Lage, mit den aktuellen Geschehnissen sinnvoll umzugehen. Die gesellschaftlichen Veränderungen basieren nicht mehr auf politischen Entscheidungen, sondern auf den Nebeneffekten des Kapitalismus. Es macht für Beck daher heute keinen Sinn mehr, von Klassen, Geschlechterrollen, familiären Beziehungen zu reden; es geht darüber hinaus nicht mehr um Fragen der Verteilungsgerechtigkeit, sondern um Fragen der Risikoverteilung. Die zweite Moderne stellt nicht auf die Gruppe, sondern auf dass Individuum ab; die Unterscheidung rechts/links wird abgelöst von den Unterscheidungen sicher/unsicher, innen/außen, politisch/unpolitisch: Das Politische taucht an neuen Orten auf. Mouffe teilt über weite Strecken die Diagnose Becks, zieht aber völlig andere Schlüsse. Während Beck und auch Giddens die beste aller möglichen Welten im Neoliberalismus verwirklicht sehen, das Problem also bereits als Lösung feiern, kritisiert Mouffe gerade die Verschiebung auf das Individuum und die Schwächung bestehender Institutionen aufs Schärfste. Die Theoretiker des dritten Weges seien allesamt blind für die Effekte der Macht und hielten an überholten Vorstellungen von rationaler Individualität fest. Gerade ihre Versuche, alles politische Handeln auf rationale Verhandlungen zurückzuführen, basierten auf einer grundlegenden antagonistischen Exklusion, die nun aber nicht mehr als politische, sondern als soziologische und damit nicht verhandelbare Tatsache wahrgenommen werde: Sie trennen zwischen dem „‛Wir‛ der ‚modernen Menschen‛, d.h. derer, die Teil der Bewegung der reflexiven Modernisierung sind” und dem “Sie” „der Traditionalisten oder Fundamentalisten, die sich dieser Bewegung entgegenstellen und am faktisch durch ihre Ausschließung konstituierten dialogischen Prozeß nicht teilhaben können” (Mouffe 2007: 73f.). Beck & Co folgen also blind dem Schmittschen Modell gerade dort, wo sie es überwunden zu haben meinen.

Ähnlich funktioniert für Mouffe die zunehmende Moralisierung der Politik, das Verschieben des Politischen aus dem Register der Politik in das der Moral. Wenn der amerikanische Präsident sich einer religiös inspirierten Rhetorik bedient und beispielsweise von einer “Achse des Bösen” spricht, dann erfolgt genau hier die Schmittsche Trennung. Wenn es nach dem Wahlerfolg der FPÖ in Österreich zur Einrichtung eines „cordon sanitaire” kommt, dann wird auch hier die Behandlung des Problems aus dem Bereich Politik in den der Moral verdrängt und der politische Agonismus wird zum Antagonismus verschärft..

Die Hoffnungen auf eine kosmopolitische Welt, auf eine Welt unter einer gemeinsamen Regierung, hält Mouffe für den Tod der Politik. Das Politische funktioniert wie eine traumatische Erfahrung: Verdrängt man sie, sucht sie sich einen anderen Schauplatz. Kosmopolitik bedeutet amerikanische Hegemonie, gegen die Mouffe eine multipolare Weltordnung unterschiedlicher Machtblöcke ins Feld führt: „Wenn Europa eine entscheidende Rolle bei der Schaffung einer neuen Weltordnung spielen kann, dann nicht durch das Werben für ein kosmopolitisches Recht, dem sich die ganze ‚vernünftige‛ Menschheit unterwerfen sollte, sondern durch einen Beitrag zur Herstellung eines Gleichgewichts zwischen regionalen Polen, deren besondere Anliegen und Traditionen als wertvoll und deren Ansprüche auf einheimische Demokratiemodelle als berechtigt anerkannt werden.” (Mouffe 2007: 169). Eine multipolare Weltordnung würde es ermöglichen, den Antagonismus in einen Agonismus zu wandeln, statt Nationen, die sich nicht der westlichen Hegemonie einfügen wollen, zu Feinden zu machen. Mit dem politischen Gegner kann ich reden, den Feind kann ich lediglich vernichten.

Etienne Balibar

Étienne Balibar, der an der Universität Paris-Nanterre politische Philosophie lehrt, ist ebenso wie Laclau und Rancière vom strukturalistischen Marxismus Louis Althussers geprägt. Wie Laclau und Rancière bricht er aber seit dem Beginn der siebziger Jahre zunehmend mit dem objektivistischen und deterministischen Erbe seines Lehrers. Er bemüht sich um eine Revision des Marxismus, die an dessen emanzipativem Anspruch festhält, zugleich aber mit seiner kausalistischen Geschichtsphilosophie und Gesellschaftstheorie bricht. Balibar implementiert dem linken Emanzipationsprojekt ältere Ideen der Aufklärung, insbesondere die Ideen der Freiheit und Gleichheit, die er miteinander zu verbinden und zu radikalisieren sucht.

Die Verbindung von Freiheit und Gleichheit zu einer „egaliberté” (Balibar 1993: 108) stellt dabei die entscheidende Operation dar. In der Tradition neuzeitlichen politischen Denkens werde die Gleichheit wesentlich ökonomisch und sozial, die Freiheit dagegen rechtlich und politisch gedacht (vgl. Balibar 1993: 99). Beide Konzepte stünden dabei in einer Spannung zueinander und gingen mit spezifischen Ausschließungsmechanismen einher: Die Stärkung der ökonomischen Gleichheit verhindere, so der mainstream politischen Denkens, die politische Freiheit, die Stärkung der Freiheit wiederum sei nicht mit Gleichheit in Einklang zu bringen. Die Apologie der Freiheit legitimiert mit anderen Worten die Existenz von ökonomisch Besitzlosen, das Plädoyer für Gleichheit beschneidet politische Freiheitsrechte von Minderheiten. Balibar versucht nun, beide Exklusionen dadurch zu korrigieren, dass er Freiheit und Gleichheit im Konzept einer „egalitären Souveränität” (Balibar 1993: 103) miteinander identifiziert. Weder Freiheit noch Gleichheit ließen sich, wäre diese Operation erfolgreich, weiterhin als Vorwand für eine Exklusion bestimmter Bevölkerungsteile mißbrauchen.

Als eine Forderung nach „egalitärer Souveränität” interpretiert Balibar bereits die Erklärung der Menschenrechte: „Liest man sie ganz wörtlich, so sagt die Erklärung in der Tat, daß die Gleichheit mit der Freiheit identisch ist, und gleich der Freiheit ist, und umgekehrt. Jede ist das genaue »Maß« der anderen. Das ist es, was ich mit einem bewußt eigenwilligen Ausdruck den Satz der Gleichfreiheit zu nennen vorschlage” (Balibar 1993: 108/108). Die Protagonisten der französischen Revolution bekämpften zwei Gegner: den Absolutismus als Negation der Freiheit und die Privilegien des Adels als Negation der Gleichheit. Das eigentlich revolutioäre oder ereignishafte Moment der Revolution lag in der Verknüfung beider Kämpfe, an die es heute wieder anzuschließen gilt. Was „egaliberté” bedeuten kann, bleibt dabei konstitutiv unbestimmt und offen; die Frage nach der „egaliberté” stellt sich von jedem konkreten politischen Kampf aus neu. Die Identifikation von Freiheit und Gleichheit „ist nicht essentialistisch” (Balibar 1993: 109); ihre „Unbestimmtheit”, hier weiß sich Balibar in guter theoretischer Nachbarschaft zu Lefort und Laclau, „macht die ganze Kraft der Aussage aus” (Balibar 1993: 111). Im Gegensatz zum Universalismus der Menschenrechte verkörpert die Forderung nach „egaliberté” eine „negative Universalität” (ebd.), die offen lässt, wie sie sich in eine konkrete Praxis einschreibt.

In den vergangenen Jahren ist Balibar vor allem mit kritischen Kommentaren zum europäischen Einigungsprozess hervorgetreten. Er misst die gegenwärtigen europäischen Demokratien an ihrem Anspruch, eine größtmögliche Partizipation aller Bürger zu gewährleisten und zeigt, wie sie diesem Anspruch nicht gerecht werden. Aus seiner Sicht ist es vor allem die nationalstaatliche Verfasstheit der aktuellen westlichen Demokratien, die dem demokratischen Gedanken widerstreitet. Die Nationalstaatlichkeit institutionalisiert regelrecht das Prinzip der Exklusion; es produziert Andere, Fremde und Ausgeschlossene. Dies gilt, so Balibar, auch und gerade für Europa (vgl. Balibar 2003). Er zeigt, wie der europäische Einigungsprozess, der kulturell  mit einem Abbau der Schranken und einem mehr an Freiheit der Bürger assoziiert wird, einerseits mit neuen Formen der inneren und äußeren Exklusion einhergeht (die Festigung der EU-Außengrenzen und die Errichtung innerer Exklaven, etwa in Form von Ghettos für sozial Marginalisierte und Lagern für illegale Einwanderer), andererseits mit neuen Formen des Rassismus und Nationalismus. Auf der Ebene Europas kommt es zu einer Art supranationalen Konsolidierung des Nationalstaates mit all seinen Problemen. Gegen die Europäisierung von oben macht Balibar die Perspektive eines europäischen ‚demos’ geltend, der Klassifikationsschemata nach nationalstaatlicher (und europäischer) Zugehörigkeit zurückweist und soziale Bürgerrechte einklagt. Die Idee Europas wäre dann nicht länger an ein Territorium gebunden, sondern stünde zur Disposition.

Jacques Rancière

In eine vergleichbare Richtung gehen auch die Überlegungen von Jacques Rancière. Was gegenwärtig an unseren Universitäten unter der Etikette „Politi­sche Philosophie“ firmiert, so Rancière, erschöpfe sich in der Regel darin, die Positionen der Klassiker politischen Denkens von Platon bis Rousseau auf ihre Kom­patibilität zu den Legitimationsrhetoriken unserer westlichen liberalen De­mo­kratien zu befragen. Eine so verstandene Politische Philosophie invisibili­sie­re dabei gerade die Frage nach der differentia specifica des Politischen. Sie harmo­ni­siere nur zu gut mit einer Politik, die sich zunehmend selbst durch­streiche und auf die Anpassung des Staates an die Anforderungen globalisierter Märkte beschränke. Die reale Politik und die politische Theorie der Spätmoderne begegneten sich, so die leitende Diagnose, im Projekt einer Entpolitisierung der Politik.

Gegen diese Tendenz plädiert Rancière entschieden für die Rückkehr eines Politischen, welches sich konstitutiv an einen radikaldemokratischen Widerstreit bindet. Eine Politik, die diesen Namen verdient, lässt sich nicht innerhalb der Grenzen einer Institution, eines gesell­schaftlichen Teilsystems oder eines diskur­si­ven Feldes einschließen, sondern fällt zu­sam­men mit dem Kampf um die Ziehung dieser Grenzen. Es ist erst der „Streit um das Dasein der Politik, durch den es Politik gibt“ (Rancière 2002: 27). Authentische politische Praxen folgen nicht einfach etablierten Regeln, sondern bemühen sich um deren perma­nente Setzung und Entsetzung. In dieser Perspektive steht das Politische für einen grund­stür­zenden Streit, in dem buchstäblich alles aufs Spiel gesetzt wird: der Ge­genstand des Streits und die Kriterien, mit deren Hilfe er geschlichtet werden könnte ebenso, wie die Iden­ti­tät der streitenden Parteien. Politik erschöpft sich nicht im parlamentarischen Disput, sondern beginnt erst dort, wo diejenigen An­teile der Bevölkerung, die nicht institutionell re­prä­sentiert sind, die „Ein­rich­tung eines Anteils der Anteilslosen“ (Rancière 2002: 24) fordern.

Eine ‚polizeiliche Politik‘ beschränkt sich für Rancière seit Platon darauf, ein Gemeinwesen innerhalb etablierter Parameter zu verwalten sowie diese Parameter vor ihrer Repolitisierung zu schützen. Innerhalb gewisser Grenzen bemüht sich jene ‚polizeiliche Politik‘ darum, „Gewinne und Verluste auszugleichen, [...] Anteile am Gemeinsamen zu verteilen, und die Gemein­schaftsanteile [...] nach Maßgabe der geometrischen Proportion zu harmo­nisieren“ (Rancière 2002: 18). Eine emphatisch verstandene Politik im Sinne Rancières bricht mit dieser Verteilungslogik; sie klagt demgegenüber eine fundamentalere Gleichheit ein, die sich negativistisch als das Recht aller bestimmt, die Koordinatensysteme der Verteilung selbst zur Disposition zu stellen: „Es gibt Politik“ nur dann, wenn die Maschinerien der Herrschaft „durch eine Voraussetzung unterbrochen sind, die ihnen völlig fremd ist, ohne die sie jedoch letztlich nicht funktionieren können: die Voraussetzung der Gleichheit zwischen Beliebigen, oder, alles in allem, die paradoxe Wirksamkeit der reinen Kontingenz jeder gesellschaftlichen Ordnung.“ (Rancière 2002: 29) Wie die anderen zeitgenössischen Protagonisten des radikaldemokratischen Denkens, plä­diert auch Rancière für ein Offenhalten der leeren Mitte der Gesellschaft.[12]

Rancière be­müht sich um eine Detranszendentalisierung der orthodox-marxistischen Theo­rien des „Klassenkampfes“. Als Platzhalter verkörpert der „Klassenkampf“ keine Ge­setz­mäßigkeit der Geschichte, sondern den notwendig vom Scheitern bedroh­ten Kampf der Stummen um das Recht zu sprechen. Politische Praxis geht inso­fern mit riskanten Subjektivierungspraxen einher: „Die politische Tätigkeit ist jene, die einen Körper von dem Ort entfernt, der ihm zugeordnet war oder der die Bestimmung eines Ortes ändert: sie läßt sehen, was keinen Ort hatte, gesehen zu werden, läßt eine Rede hören, die nur als Lärm gehört wurde.“ (Rancière 2002: 41)

Rancière verteidigt das Politische gegen drei Strategien seiner Verleugnung: gegen die „Archi-Politik“ (Rancière 2002: 77) des Kommunitarismus, der den politischen Konflikt in einer organisch geschlossenen Gemeinschaft stillzustellen sucht; gegen die „para-politische“ (Rancière 2002: 81) Reduktion des Konflikts auf einen Wettstreit zwischen etablierten Parteien innerhalb eines repräsen­tatio­na­­listischen Rahmens; schließlich gegen die „meta-politische“ (Rancière 2002: 93) Depotenzierung des Konflikts zu einem sekundären Überbauphänomen im or­tho­doxen Marxismus. Diese Verleugnungen des Politischen werden als anti­demo­kratische Gesten schlechthin gedeutet.

Das Politische wird von Rancière mit dem Demokratischen synonymisiert. Demokratie steht für ein Gespräch, „das die Situation des Gesprächs selbst ins Spiel bringt“ (Rancière 2002: 110); sie bildet insofern keine Institution, sondern pro­zessiert eine Kraft des Instituierens, die sich nie vollständig verwirklichen kann. Der Nicht-Ort einer so verstandenen Demokratie wird in den heutigen west­lichen Gesellschaften durch eine „Post-Demokratie“ (Rancière 2002: 111) ok­kupiert, welche „unter dem Namen der Demokratie die konsensuelle Praxis der Auslöschung der Formen demokratischen Handelns geltend macht“ (ebd.). Demokratie verbinde sich aber gerade nicht mit dem Konsens, sondern mit einem „Unvernehmen“, bei dem „der Streit darüber, was Sprechen heißt, die Rationalität der Sprechsituation selbst ausmacht“ (Rancière 2002: 10).

Das Politische wird im Anschluss an Rancière grundlos; es lässt sich – ganz entgegen anders lautender Forderungen etwa von Habermas und Höffe – gerade nicht in kategorialen Rechts- oder Vernunftprinzipien begründen. Wird die Logik der Politik über einen Widerstreit expliziert, der alle apriorischen Rahmungen in Frage stellt, dann erscheint die Politik der klassischen politischen Philosophie als Politik eines Unvernehmens des Politischen selbst. Die Philosophie bemüht sich von Platon bis Habermas, den Widerstreit zu schlichten und zu invisibilisieren, ihn in ein Koordinatensystem grundlegender Prinzipien einzutragen, in dem jeder Stimme ein Sinn zugewiesen werden kann. Politik lässt sich demgegenüber weder auf einen Modus der Kommunikation zwischen Partnern reduzieren, noch auf die Aushandlung gemeinsamer Situationsdefinitionen; sie besteht vielmehr in der Aushandlung der Definition von Kommunikation selbst.

Der Kampf der Anteilslosen um Anteil sieht sich mit einer Hegelschen ‚Nacht des Nichtwissens‘ konfrontiert, die jegliche Verrechnung Rancières auf Schmittsche Kategorien verbietet. Mit Carl Schmitt teilt der Verfasser zwar die Ein­schätzung, „daß gerade die Entscheidung darüber, ob eine Angelegenheit oder ein Sachgebiet unpolitisch ist, in spezifischer Weise eine politische Entscheidung darstellt“ (Schmitt 1933: 17). Unendlich entfernt von Schmitt bleibt dagegen die Rancièresche Definition von Politik als Klassenkampf. Während im Politik­be­griff Carl Schmitts über die Leitachse von Freund und Feind den Kontrahenten ein fester Ort in einem soziosymbolischen Gefüge zugewiesen werden kann, stehen die Anteilslosen in ihrem Kampf um Anteil quer zur Freund-Feind-Unter­scheidung. Sie sind aus den vorgezeichneten Bahnen der sozialen Kämpfe um An­erkennung herausgefallen, eher Agambensche homini sacri als Angehörige eines Standes, einer Klasse oder einer Partei. „Vor aller Konfrontation der Interessen und der Werte, vor aller Unterwerfung der Behauptungen unter Gültigkeitsanforderungen zwischen konstituierten Partnern, gibt es den Streit über den Gegenstand des Streits, den Streit über die Existenz des Streits und der Parteien, die in ihm einander gegenübertreten.“ (Rancière 2002: 66f.)

An dieser Stelle konnten nur einige Kerngedanken derjenigen Autorinnen und Autoren dargestellt werden, die sich selbst nicht als radikaldemokratisch begreifen. Über die Auswahl der Positionen ließe sich mit gutem Recht streiten. So bilden etwa Alain Badiou und Slavoj Žižek wichtige Bezugspunkte aktueller Diskussionen im Umfeld der hier behandelten Ansätze; beide Autoren verbindet allerdings eine tiefe Skepsis gegenüber dem Konzept der Demokratie, das sie durch einen lobbyistischen Kapitalparlamentarismus desavouiert sehen. Weiter zu nennen wären auch Judith Butler und Giorgio Agamben, die den hier dargestellten Ansätzen ebenfalls nahe stehen, den Bezug zur Demokratie aber, wie Badiou und Žižek, nicht sonderlich prominent machen, William Rasch (vgl. Rasch 2005), der ausgehend von der Systemtheorie Luhmanns ein agonistisches Modell des Politischen entfaltet oder Iris Marion Young (vgl. Young 2000) die eine radikaldemokratische Position mit Fragen der Gender-Gerechtigkeit verbindet. Ferner konnten wir uns hier nur darauf beschränken, einige Kerngedanken isoliert von den konkreten politischen Kämpfen zu rekonstruieren, in die die jeweiligen Autorinnen und Autoren involviert waren und weiterhin involviert sind. Der Diskurs der radikalen Demokratie wäre missverstanden, würde man ihn als rein theoretischen Diskurs begreifen. Radikal ist er nicht zuletzt in seinem unbedingten Gebot zur Praxis, zu einer Praxis allerdings, die sich keinen politisch-theoretischen Vorgaben beugt.

Reinhard Heil / Andreas Hetzel

www.radikal-demokratie.de

Literatur

Balibar, É. (1993): Die Grenzen der Demokratie, Berlin: Argument.

Balibar, É. (2003): Sind wir Bürger Europas? Politische Integration, soziale Ausgrenzung und die Zukunft des Nationalen, Hamburg: Hamburger Edition.

Baudrillard, J. (1992): Transparenz des Bösen. Ein Essay über extreme Phänomene, Berlin: Merve.

Bauman, Z. (2000): Die Krise der Politik, Hamburg: Hamburger Edition.

Beck, Ulrich (1993): Die Erfindung des Politischen. Zu einer Theorie reflexiver Modernisierung, Frankfurt/M.: Suhrkamp.

Beck, Ulrich (1996): „Das Zeitalter der Nebenfolgen und die Politisierung der Moderne“, in: Ulrich Beck, Anthony Giddens, Scott Lash, Reflexive Modernisierung, Frankfurt/M.: Suhrkamp.

Castoriadis, C. (2003): Gesellschaft als imaginäre Institution – Entwurf einer politischen Philosophie, Frankfurt/M.: Suhrkamp.

Derrida, J. (2003): Schurken, Frankfurt/M: Suhrkamp.

Flügel, O./Heil, R./Hetzel, A. (Hg.) (2004): Die Rückkehr des Politischen. Demokratietheorien heute, Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft.

Heil, R./Hetzel, A. (Hg.) (2006): Die unendliche Aufgabe. Kritik und Perspektiven der Demokratietheorie, Bielefeld: transcript.

Habermas, J. (1987): Theorie des kommunikativen Handelns, Frankfurt/M.: Suhrkamp.

Habermas, J. (1999): Die Einbeziehung des Anderen, Frankfurt/M.: Suhrkamp.

Hetzel, A. (2004): „Demokratie ohne Grund. Ernesto Laclaus Transformation der Politischen Theorie“, in: Flügel/Heil/Hetzel 2004, 185-210.

Jörke, Dirk (2004): „Die Agonalität des Demokratischen: Chantal Mouffe“, in: Flügel/Heil/Hetzel 2004, 164-184.

Laclau, E. (2002): Emanzipation und Differenz, Wien.

Lefort, C. (1990a): „Vorwort zu Eléments d’ une critique de la bureaucratie (Paris 1979)“, in: Rödel 1990, 30-53.

Lefort, C. (1990b): „Die Frage der Demokratie“, in: Rödel 1990, 281-297.

Lefort, C. (1999): Fortdauer des Theologisch-Politischen? Wien 1999.

Marchart, O. (2007): Post-foundational Political Thought – Political Difference in Nancy, Lefort, Laclau and Badiou, Edinburgh: Edinburgh University Press (im Erscheinen)

Meyer, T. (1992): Die Inszenierung des Scheins. Voraussetzungen und Folgen symbolischer Politik, Frankfurt/M.: Suhrkamp.

Mouffe, C. (2007): Über das Politische – Wider die kosmopolitische Illusion, Frankfurt/M.: Suhrkamp.

Rancière, J. (2002): Das Unvernehmen. Politik und Philosophie, Frankfurt/M.: Suhrkamp.

Rasch, W. (2005): Konflikt als Beruf. Die Grenzen des Politischen, Berlin: Kadmos.

Rödel, U. (Hg.) (1990): Autonome Gesellschaft und libertäre Demokratie, Frankfurt/M.: Suhrkamp.

Schmitt, C. (1933): Staat, Bewegung, Volk. Die Dreigliederung der politischen Einheit, Hamburg: Hanseatische Verlags-Anstalt.

Young, I.M. (2000): Inclusion and Democracy, Oxford: Oxford University Press.


[1] Dieser Text basiert auf dem Einleitungstext zu dem von uns herausgegebenen Band „Die unendliche Aufgabe“ (Heil/Hetzel 2006). Eine leicht abweichende Fassung dieses Textes erschien 2007: Heil, Reinhard / Hetzel, Andreas (2007):  Radikale Demokratie.  In: Demokratie … in der neuen Gesellschaft – Informationen aus der Tiefe des umstrittenen Raumes. Berlin: NGBK, 12-30.

[2] In der Unterscheidung zwischen „dem Politischen“ und „der Politik“ sieht Oliver Marchart eine von Hannah Arendt und Cornelius Castoriadis ausgehende Re­for­mu­lie­rung der ontisch-ontologischen Differenz Heideggers. Marchart interpretiert den radikal­demo­kratischen Diskurs vor diesem Hintergrund als „Links-Heide­g­ger­ia­nis­mus“; er schlägt vor, die politische Philosophie ausgehend vom Denken eines Primats des Politischen als „erste Philosophie“ zu begreifen (vgl. Marchart 2007).

[3] „Es ist ein trügerischer Traum anzunehmen, wir könnten die Demokratie gleichsam besitzen, sei es, um uns mit ihrem Zustand zufrieden zu geben, oder aber, um sie als erbärmlich zu kritisieren. Die „Demokratie“ ist nichts anderes als jenes Spiel der Möglichkeiten, das in einer nicht so fernen Ver­gan­genheit eröffnet wurde, in der es für uns noch alles zu erforschen gilt. Jenseits ihrer Grenzen aber gibt es nur das Modell des Totalitarismus.“ (Lefort 1990a: 52)

[4] „Daß die menschliche Gesellschaft nur eine Öffnung auf sich selbst hat, indem sie in eine Öffnung hineingenommen wird, die sie nicht erzeugt, genau das sagt jede Religion, jede auf ihre Weise, genauso wie die Philosophie und noch vor dieser“ (Lefort 1999: 45).

[5] „Um nur einen Faden unter so vielen anderen aus dem Geflecht der Überlegungen zum 11. September herauszuziehen: Wir sehen, wie eine amerikanische Administration, der andere in Europa oder in der übrigen Welt dabei möglicherweise folgen, unter dem Vorwand, gegen die ‚Achse des Bösen‘, gegen die Feinde der Freiheit und die Mörder der Demo­kratie in der Welt zu Felde zu ziehen, unvermeidlich und unbestreitbar in ihrem eigenen Land die sogenannten demokratischen Freiheiten oder die Ausübung des Rechts einschränken muss, indem sie die polizeilichen Befugnisse bei Ermittlungen, Verhören usw. ausdehnt, ohne dass irgend jemand, ohne dass irgendein Demokrat ernsthaft dagegen Einwände erheben und etwas anderes tun könnte, als diesen oder jenen Missbrauch bei dem a priori missbräuchlichen Einsatz der Gewalt zu beklagen, mit der eine Demokratie sich gegen ihre Feinde verteidigt, sich selbst, aus sich heraus, gegen ihre potentiellen Feinde verteidigt. Sie muss ihnen ähneln, sich korrumpieren und sich selbst bedrohen, um sich gegen deren Drohungen zu schützen.“ (Derrida 2003: 64)

[6] „Ich kann keine differentielle Identität geltend machen, ohne sie von einem Kontext zu unterscheiden, und im Prozess dieser Unterscheidung mache ich zugleich den Kontext geltend.“ (Laclau 2002: 54)

[7] Universalität ist „im Partikularen als das gegenwärtig, was abwesend ist, als ein kon­sti­tu­­tiver Mangel, der das Partikulare unaufhörlich dazu zwingt, mehr als es selbst zu sein, ei­ne universale Rolle anzunehmen, die nur prekär […] sein kann. Genau aus diesem Grund kann es demokratische Politik geben: eine Abfolge finiter und partikularer Iden­ti­täten, die eine universelle Aufgabe zu übernehmen versuchen, die über sie hinausgeht; die aber folglich niemals in der Lage sind, die Distanz zwischen Aufgabe und Identität zu überdecken und die jederzeit durch alter­native Gruppen ersetzt werden können. Un­voll­ständigkeit und Vorläufigkeit gehören zur Essenz der Demo­kratie.” (Laclau 2002: 41)

[8] „Das Universelle ist inkommensurabel mit dem Partikularen und kann doch nicht ohne dieses existieren. Wie ist dieses Verhältnis möglich? Meine Antwort ist, dass dieses Para­doxon nicht gelöst werden kann, aber seine Nicht-Lösung die eigentliche Voraussetzung von Demokratie ist.“ (Laclau 2002: 63f.)

[9] „Eine demokratische Gesellschaft ist nicht etwa jene, in welcher der ‚beste‘ Inhalt unherausgefordert dominiert, sondern vielmehr eine, in der kein Ziel ein für allemal erreicht ist und es immer die Mög­lichkeit der Herausforderung gibt.“ (Laclau 2002: 144f.)

[10] Dt. Hegemonie und radikale Demokratie – Zur Dekonstruktion des Marxismus (Laclau/Mouffe 1991)

[11] Vgl. zu Chantal Mouffe „Die Agonalität des Demokratischen: Chantal Mouffe“ von Dirk Jörke (Jörke 2004).

[12] „Es gibt Politik einfach deshalb, weil keine gesellschaft­liche Ordnung in der Natur ge­­gründet ist, kein göttliches Gesetz die mensch­lichen Gesellschaften be­herrscht.“ (Rancière 2002: 28)


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